KI-Implementierung

Das sind die grössten Stolperfallen bei Ihrem KI-Projekt

Viele Unternehmen investieren in KI und erleben dann eine herbe Enttäuschung. Die Technologie verspricht viel, scheitert aber oft an vermeidbaren Fehlern. Doch es gibt einen besseren Weg – pragmatisch und erfolgsorientiert.
Veröffentlicht am 22. September 2025 · von Michael J. Baumann

Die Realität sieht oft anders aus, als es die Marketingversprechen suggeriert haben. KI ist keine Zauberformel, die über Nacht alle Probleme Ihres Unternehmens löst. Sie ist ein Werkzeug mit klaren Stärken – aber auch Schwächen und oft unterschätzten Kosten.

Wer KI unbedacht einführt, tappt schnell in teure Fallen. Wir zeigen Ihnen, welches die häufigsten Fehler sind und wie Sie sie vermeiden können.

Die fünf häufigsten Gefahren (und unsere Tipps)

1. Halluzinationen kosten Geld und Vertrauen

Generative KI kann überzeugend klingen und trotzdem falsch liegen. Das ist nicht nur peinlich – es wird teuer. Ein Präzedenzfall aus Kanada zeigt die Konsequenzen: Air Canada wurde verurteilt, weil der Website-Chatbot einem Kunden falsche Auskünfte gab. Das Gericht stellte klar: Das Unternehmen haftet für die Aussagen seines Bots.

Die Lehre daraus: Für alle KI-Berührungspunkte mit Kunden gilt «Human-in-the-Loop» plus klare Freigabeprozesse – insbesondere bei rechtlichen, finanziellen oder sicherheitsrelevanten Informationen.

Unsere Tipps: Etablieren Sie eine mehrstufige Qualitätskontrolle. Erstens: Definieren Sie kritische Bereiche, in denen KI nur als Entwurf fungiert – nie als finale Antwort. Zweitens: Schulen Sie Ihre Mitarbeiter im «Prompt Engineering», um präzisere KI-Antworten zu erhalten. Drittens: Nutzen Sie Retrieval-Augmented Generation (RAG), die KI mit Ihren eigenen, verifizierten Datenquellen verknüpft. Unternehmen, die diese Ansätze befolgen, können Halluzinationen signifikant reduzieren.

2. Die Pilot-Falle: Testen ohne Ende

Viele Unternehmen starten enthusiastisch mit Pilotprojekten, schaffen aber nie den Sprung in den produktiven Betrieb. Eine aktuelle Befragung von 600 Datenverantwortlichen bestätigt das Dilemma: Zwei Drittel sitzen in Generative-KI-Piloten fest. Und ganze 97 Prozent haben Schwierigkeiten, den Business-Nutzen überhaupt zu belegen.

Auch Analysten warnen vor überzogenen Erwartungen: Laut Gartner dürften mehr als 40 Prozent der sogenannten «agentischen KI»-Projekte bis 2027 wieder eingestellt werden – wegen steigender Kosten, unklarem Geschäftsnutzen und unzureichenden Risikokontrollen.

Unsere Tipps: Denken Sie vom Produktivbetrieb her. Definieren Sie bereits vor dem Piloten klare Erfolgskriterien: messbare KPIs, maximale Implementierungskosten und realistische Zeitrahmen. US-amerikanische KMU setzen bereits breit auf KI: 60 Prozent nutzen AI-Plattform-Tools – erfolgreiche Unternehmen starten dabei mit einfachen, aber klar abgrenzbaren Anwendungen wie automatisierter E-Mail-Kategorisierung oder Dokumentensuche. Mehr dazu in unserem Beitrag zu KI-Pilotprojekten.

3. Legacy-Systeme als Realitätscheck

Die Demo funktioniert einwandfrei – in der Unternehmensrealität scheitert es dann an Schnittstellen aus den 2000ern, an Berechtigungskonzepten, die niemand mehr versteht, oder an Datenqualität, die den Namen nicht verdient.

Hier kippen viele Projekte: nicht am KI-Modell, sondern an der Einbettung in die gewachsene IT- und Prozesslandschaft.

Unsere Tipps: Machen Sie eine ehrliche Bestandsaufnahme Ihrer IT-Infrastruktur, bevor Sie KI implementieren. Konzentrieren Sie sich zunächst auf Cloud-basierte KI-Tools, die über APIs integriert werden können, statt komplexe On-Premise-Lösungen. Die Boston Consulting Group zeigt mit der 10-20-70-Regel: Erfolgreiche AI-Transformationen investieren nur 10% in Algorithmen, 20% in Daten und Technologie, aber 70% in Menschen, Prozesse und kulturelle Veränderungen. Erfolgreiche KMU beginnen oft mit SaaS-basierten KI-Lösungen für klar definierte Bereiche – etwa intelligente Dokumentenanalyse oder CRM-Integration – und erweitern dann schrittweise ihre Infrastruktur.

4. Versteckte Kosten summieren sich

Neben Modell-Lizenzen fallen Aufwände für Datenaufbereitung, Prompt-Engineering, Monitoring, Governance, Schulungen und Change-Management an. McKinsey zeigt in einer aktuellen Studie: Echten Nutzen sehen vor allem die Unternehmen, die Workflows komplett neu gedacht und Rollen klar zugewiesen haben.

Unsere Tipps: Kalkulieren Sie realistisch und planen Sie je nach Komplexität das 2–4‑fache der initialen Lizenzkosten für Integration und Change Management. Identifizieren Sie zunächst Ihre grössten Schmerzpunkte: Verbringen Mitarbeiter Stunden mit der Suche in Dokumenten? Dann ist Semantische Suche womöglich wertvoller als ein Allzweck-Chatbot. Arbeiten Sie international? Automatisierte Übersetzungen können mehr ROI bringen als Marketing-KI. Haben Sie viele repetitive Datenanalysen? Spezialisierte KI-Lösungen für Ihre Branche übertreffen oft Standard-Tools. Der Schlüssel liegt darin, den grössten Nutzen zu identifizieren und dort zu starten, anstatt sofort teure Allzwecklösungen anzugehen.

5. Features statt Strategie

Viele KMU nutzen KI nur «mit», weil sie in vorhandenen Tools steckt – ohne klares Zielbild. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, reicht aber selten für strukturelle Verbesserungen. Es fehlt die strategische Komponente.

Unsere Tipps: Entwickeln Sie eine KI-Roadmap mit konkreten Geschäftszielen. Viele KMU erwarten einen starken Einfluss von KI auf ihre Branche in den nächsten drei bis fünf Jahren – nutzen Sie diesen Vorsprung strategisch. Identifizieren Sie drei bis fünf Geschäftsprozesse mit dem grössten Verbesserungspotenzial und priorisieren Sie diese nach erwartetem ROI und Implementierungsaufwand. Unternehmen, die systematisch vorgehen, erzielen deutlich bessere Produktivitätssteigerungen als solche mit ad-hoc Ansätzen. Beachten Sie zudem das Benchmark-Problem bei der Bewertung von KI-Leistung im Unternehmenskontext.

Die drei erprobten Einstiege für Ihr KMU

Also, wo anfangen? Der Schlüssel liegt im pragmatischen Vorgehen: Klein anfangen, messbar bleiben, iterativ verbessern. Wer heute mit Augenmass startet, baut die Kompetenz auf, die morgen den Unterschied macht. Hier drei sinnvolle Einstiege in die Welt der KI:

Assistierte Wissensarbeit

  • Automatisierung wiederkehrender Dokumentenarbeit
  • KI-unterstützte E-Mail-Bearbeitung und -Kategorisierung
  • Intelligente Terminkoordination und Meeting-Vorbereitung

ROI-Erwartung: Studien zeigen 12% mehr erledigte Aufgaben und 25% schnellere Bearbeitung in kontrollierten Experimenten mit Beratungsunternehmen (Harvard Business School/BCG).

Semantische Suche

  • Durchsuchung von Dokumentenbeständen, Handbüchern und Wissensdatenbanken
  • Intelligent verknüpfte Suchergebnisse statt reine Keyword-Treffer
  • Mehrsprachige Suche für international tätige KMU

ROI-Erwartung: Deutliche Zeitersparnis bei der Informationssuche und höhere Trefferqualität durch kontextbasierte Suche.

KI-unterstützter Kundenservice

  • Erste Kategorisierung und Routing von Kundenanfragen
  • Vorschläge für Standardantworten mit Freigabepflicht
  • Sentiment-Analyse für Priorisierung dringender Fälle

ROI-Erwartung: Reduktion der Bearbeitungszeiten und verbesserte Kundenzufriedenheit bei sachgerechter Implementierung.

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